Meuterei, Revolte oder Revolution? So ganz sicher ist man sich im November 1918 nicht, was da eigentlich in Deutschland passiert. Fest steht aber, dass der Kaiser und seine glücklosen Generäle dieses Land nicht mehr führen werden. Im revolutionären Taumel fegen Arbeitern und Soldaten die alten Regeln weg! Doch welche sind die Neuen? Der Umsturz war eine leichte Aufgabe im Gegensatz zu den nächsten Herausforderungen: Deutschland neu zu erfinden!
Als Sohn eines Schneiders bringt es Ebert bis an die Spitze der Weimarer Republik. 1913 wurde er Vorsitzender der SPD. Doch mit der Novemberrevolution geht sein politisches Wirken über Parteigrenzen hinaus. Als Mann des Ausgleichs versucht er zu vermitteln und die neue Republik auf eine breite gesellschaftliche Basis zu stellen. Gedankt wird es ihm nicht. Zeitlebens wird er von Linken und Rechten angefeindet.
Ihm gelingt die perfekte Inszenierung! Als "Held von Tannenberg" heftet er sich einen der wenigen deutschen Siege im Ersten Weltkrieg an die Brust und steigt zum Star im Kaiserreich auf. Nahezu unbeschadet übersteht er die Kriegsniederlage und wird in der Weimarer Republik zur Hoffnungsfigur vieler Deutscher, die der Demokratie nicht vertrauen.
Als überzeugter Pazifist tritt er im Kaiserreich gegen den Ersten Weltkrieg auf. Wegen "Kriegsverrats" verbringt er zwei Jahre im Zuchthaus und wird kurz vor Ende des Krieges entlassen. Sein Revolutionsziel eines Rätesystems kann er nicht durchsetzen. Doch er wird Führerfigur für alle, die links der SPD stehen. Am 30. Dezember 1918 gründet er die KPD. Liebknecht wird zusammen mit Rosa Luxemburg am 15.01.1919 ermordet.
Am 4. November 1918 bilden die aufständischen Matrosen den ersten Soldatenrat. Einige ihrer Forderungen sind: Freilassung aller politischen Gefangenen, vollständige Rede- und Pressefreiheit und sachgemäße Behandlung der Mannschaften durch die Vorgesetzten.
Ein Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates spricht vor dem Reichstag. "Brot und Frieden" ist die zentrale Forderung zu Beginn der Revolution. Der Kaiser soll abdanken und eine sozialistische Republik geschaffen werden.
Hier wird über die Zukunft Deutschlands entschieden! Vertreter der Arbeiter- und Soldatenräte aus ganz Deutschland treffen sich in Berlin zum Reichsrätekongress. Vom 16. bis 21. Dezember 1918 geht es um die Staatsform des neuen Deutschlands: Rätesystem oder parlamentarische Demokratie – das ist hier die Frage.
Auch wenn diese Revolutionäre von den Arbeiter- und Soldatenräten sehr überzeugt aussehen, so ganz ausgereift ist das Rätesystem nicht. Zum Beispiel fehlt die für demokratische Staaten typische Gewaltenteilung, also die Trennung von Gesetzgebung, Regierung und Rechtssprechung. Ganz abgesehen davon sind weite Teile der deutschen Bevölkerung, wie zum Beispiel das Bürgertum, durch die Räte kaum vertreten.
... behauptete einst Kaiser Wilhelm II. am 23.9.1898. Damit bewies er fast hellseherische Fähigkeiten. Fast genau 20 Jahre später sind es tatsächlich die Matrosen der deutschen Hochseeflotte, die Deutschlands Zukunft in die Hand nehmen. Allerdings ganz anders, als es sich der Kaiser vorgestellt hatte.
Diese Herren sind gerade im Begriff, eine Revolution zu starten! Statt den Heldentod zu sterben, haben sich die Matrosen in Wilhelmshaven entschlossen, endgültig mit Kaiser und Admiralität zu brechen. Den Befehl, in eine letzte Seeschlacht zu ziehen, verweigern sie und gehen zu Hunderten auf die Straße.
Die Revolution erfasst ganz Deutschland und scheint unaufhaltsam. Hier fahren Soldaten und Matrosen durch das Brandenburger Tor. Bis vor einer Woche war dessen mittlere Durchfahrt dem Kaiser und seiner Familie vorbehalten. Verzweifelt klammert dieser sich an das letzte Quentchen Macht und weigert sich abzudanken. Eine Hauptforderung der Revolutionäre.
Der Erste Weltkrieg war DIE traumatische Erfahrung für ganz Europa! Etwa zehn Millionen Soldaten starben in den Materialschlachten, weitere 20 Millionen wurden verwundet. Sieben Millionen zivile Opfer sind zu beklagen.
Der Stahlhelm wird zum Symbol des modernen Kriegers. Technisch, funktional und massenhaft produziert, bietet er etwas Schutz vor dem ständigen Artilleriefeuer. Doch die deutschen und französischen Generäle weigern sich, ihre Taktik den neuen Waffen anzupassen. Mit der richtigen Kampfmoral sollten die gegnerischen Stellungen im Frontalangriff eingenommen werden. Artillerie und Maschinengewehre machten aus dieser Idee fast immer ein Blutbad.
Ob Nägel, Schmuck, Felle oder Haare – der Krieg verschlingt unglaubliche Ressourcen und richtet das Land wirtschaftlich zugrunde. Das trifft auch auf alle anderen europäischen Kriegsparteien zu. Der spätere französische Präsident Charles de Gaulle sagt dazu: "Es gab Sieger und Besiegte; wir alle haben verloren." Aus dem Frauenhaar wurden übrigens Dichtungen und Treibriemen hergestellt.
Zahllose Kriegsversehrte prägen das Straßenbild. Weder gibt es eine moderne Prothetik noch Rehabilitationseinrichtungen. Die Invaliden bleiben ihrem Schicksal überlassen. Zehntausende Soldaten kehren traumatisiert nach Deutschland zurück. Auch für sie gibt es kaum Hilfe. Im Gegenteil, oft werden sie als Drückeberger und Schwächlinge ins gesellschaftliche Abseits gedrängt.
Falls man dem Krieg eine gute Seite abgewinnen möchte, dann vielleicht diese: Durch die Abwesenheit der Männer gelangen immer mehr Frauen in die männlich Berufswelt. Das bricht die alten Rollenmuster auf und verhilft zu Selbstbewusstsein und Unabhängigkeit. Ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung, den auch diese Fahrerin eines Postautos geht.
Die deutsche Kriegsmarine beweist bei der ruhmreichen Seeschlacht am Skagerrak 1916 ihre Schlagkraft. So zumindest sieht es die Admiralität. Seit der Schlacht ist nicht mehr viel los mit der Kriegsmarine. Bis 1918 liegen die Schiffe im Hafen und rosten vor sich hin. Schön, dass wenigstens Gemälde wie dieses vom Ruhm vergangener Tage erzählen.
Hier posiert Reinhard Scheer mit seinem Stab. Er kommandierte die Hochseeflotte in der Schlacht am Skagerrak 1916. Wenn Du genau hinschaust, kannst Du im Hintergrund auch ein paar Matrosen entdecken. 8.645 Seeleute starben in der Schlacht, die unentschieden ausging.
Die Kluft zwischen einfachen Matrosen und Offizieren war in der Marine immens. Die Befehlshaber logierten in eigenen Quartieren, hatten deutlich bessere Verpflegung und viele Annehmlichkeiten an Bord, von denen diese Matrosen nur träumen konnten. Die Folge war, dass sich Führung und Mannschaft völlig entfremdeten.
8. August 1918: Den alliierten Truppen an der Westfront gelingt der Durchbruch. Damit ist der Krieg für Deutschland verloren und die Generäle Hindenburg und Ludendorff (rechts) haben allen Grund missmutig zu gucken. Ihre Verantwortung für die Niederlage wollen die beiden jedoch nicht eingestehen. Der Stratege Ludendorff weiß sich zu helfen und entwickelt einen Plan.
3. Oktober 1918: Auf Empfehlung Ludendorffs ernennt Kaiser Wilhelm II. eine neue Regierung. Max von Baden wird Reichskanzler und auch die demokratischen Parteien, allen voran die SPD, beteiligen sich an ihr. Deutschland wird eine parlamentarische Monarchie. Doch das Geschenk ist vergiftet. Für die deutsche Öffentlichkeit ist die neue Regierung verantwortlich für die Kriegsniederlage und die kommenden Friedensverhandlungen.
28. Oktober 1918: Die Matrosen der Hochseeflotte machen nicht mehr mit! Sie verweigern den Befehl und fordern stattdessen "Frieden und Brot"! Polizei und Militär können und wollen diesen Aufständen nicht viel entgegensetzen. Am 4. November ist Kiel in der Hand der Aufständischen, die Revolution greift auf andere Großstädte über und erreicht am 9. November Berlin.
9. November 1918, Vormittag: Angesichts hunderttausender Revolutionäre auf Berlins Straßen reagiert Reichskanzler Max von Baden. Ultimativ fordert er den Kaiser auf abzudanken. Als dieser nicht reagiert, erklärt er eigenmächtig: "Der Kaiser hat sich entschlossen, dem Throne zu entsagen". Doch diese Nachricht geht im Lärm der Revolution unter. Auf der Straße fordert man nun die Abschaffung der Monarchie und eine sozialistische Republik.
9. November 1918, Mittag: Friedrich Ebert, Vorsitzender der SPD, ist kein Freund der Revolution. Um sie zu lenken, einen Bürgerkrieg zu verhindern und eine parlamentarische Demokratie zu schaffen, stellt er sich dennoch an ihre Spitze. Max von Baden muss dafür sein Reichskanzleramt an Ebert übertragen. Der ist damit Regierungschef Deutschlands.
9. November 1918 früher Nachmittag: Vor dem Reichstag in Berlin sammeln sich tausende Arbeiter, Soldaten und Matrosen. Sie alle warten auf eine Entscheidung über den Fortgang der Revolution. Die Stimmung ist angespannt und gereizt. Dann tritt Sozialdemokrat Scheidemann ans Fenster und ruft die Republik aus. Jubel brandet auf, die Revolution hat gesiegt.
9. November 1918 früher Nachmittag: Ausrufung der Republik, Klappe die Zweite! Hier ist es Karl Liebknecht, der die freie sozialistische Republik proklamiert. Fast zeitgleich und nur wenige Hundert Meter von Scheidemann entfernt. Am 9. November liegt die Macht tatsächlich auf der Straße. Am Ende geht es darum, wer sie zuerst aufhebt und festhält.
10. November 1918: Der Rat der Volksbeauftragten wird gewählt. Vertreter der Arbeiter- und Soldatenräte bestimmen im Berliner Circus Busch eine Revolutionsregierung, die jeweils mit drei Mitgliedern der SPD und der USPD besetzt ist. Damit soll die Einigkeit der Arbeiterklasse demonstriert werden. Tatsächlich trauen sich die Vertreter der beiden Parteien nie über den Weg.
10. November 1918: Dass ein geladenes Maschinengewehr ein sehr wirkungsvolles Argument sein kann, ist auch Friedrich Ebert bewusst. Nach der Wahl des Rates der Volksbeauftragten telefoniert er am Abend mit General Groener und versichert sich der Unterstützung der Armee. Ebert hat das Schreckgespenst der bolschewistischen Revolution vor Augen. Mit Hilfe der Armee will er sie in Deutschland verhindern.
10. November 1918: Da war doch noch was! Richtig, der Kaiser, halbverdeckt in der Bildmitte, flieht in die Niederlande. Genau genommen begeht er damit Fahnenflucht, was ihm viele Militärs übel nehmen. Seine offizielle Abdankung unterzeichnet er am 28. November 1918. Doch das interessiert in Deutschland kaum jemand mehr.
11. November 1918: Endlich herrscht Frieden. Im französischen Compiègne wird der Waffenstillstand zwischen den Alliierten und Deutschland unterzeichnet. Die Bedingungen für Deutschland sind hart: Besetzung der Gebiete westlich des Rheins, Übergabe des militärischen Geräts, 5000 Lokomotiven und 150.000 Wagons fordern die Sieger. Der deutschen Delegation unter Matthias Erzberger bleibt nur die Annahme der Forderungen.
16. Dezember 1918: Kurz vor Weihnachten treffen sich in Berlin Vertreter der Arbeiter- und Soldatenräte aus ganz Deutschland. Der Reichsrätekongress dauert fünf Tage und endet mit einer eindeutigen Entscheidung. 344 Abgeordnete stimmen für die Wahlen zur deutschen Nationalversammlung und damit für eine parlamentarische Demokratie. 98 Abgeordnete stimmen dagegen.
23. Dezember 1918: "Blutweihnacht" in Berlin. Unter den Anhängern des Rätesystems gärt es. Die Revolution schlägt eine andere Richtung ein als sie es sich vorgestellt haben. Matrosen besetzen die Reichskanzlei und stellen die Regierung unter Hausarrest. Der Versuch, den Aufstand militärisch niederzuschlagen, misslingt. Am Ende wird eine Verhandlungslösung gefunden.
29. Dezember 1918: Die Vertreter der USPD verlassen aus Protest den Rat der Volksbeauftragten. Damit geben sie ihren politischen Einfluss in der Regierung auf. Für Friedrich Ebert ein Glücksfall. Der neue Rat der Volksbeauftragten besteht nur noch aus SPD-Mitgliedern und kann sich ganz der Umsetzung seiner Ziele widmen.
5. Januar 1919 - Der Spartakusaufstand ist einer der Schicksalsmomente der Republik. Tausende gehen auf die Straße, um gegen die zögerliche Umsetzung der Revolutionsziele zu protestieren. Der Protest wird gewaltsam! Nun schlägt die Regierung zurück. Mit Hilfe von Reichswehr und rechten Freikorps wird der Aufstand brutal niedergeschlagen. 156 Menschen sterben.
15. Januar 1919 - Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht werden ermordet! Die Tat wird von rechten Freikorps-Anhängern begangen. Die juristische Aufarbeitung ist eine Farce. Entweder werden die Täter gar nicht erst angeklagt oder wenn doch, zumeist freigesprochen. Die Anhänger Liebknechts und Luxemburgs sehen die Regierung Ebert als Hauptverantwortliche und brechen mit der Sozialdemokratie. Die Arbeiterschaft ist tief gespalten.
19. Januar 1919: Es wird gewählt! Friedrich Ebert hat sein Ziel erreicht. Alle Deutschen wählen in freier, geheimer und gleicher Wahl die verfassungsgebende Nationalversammlung. Sie soll die Verfassung des neuen Deutschlands erarbeiten.