In den Zwanzigern ist Berlin mit 3,8 Millionen Einwohnern die drittgrößte Metropole der Welt. Keine Stadt drückt die Extreme ihrer Zeit so aus wie Berlin: Armut, Prostitution, Drogen, Vergnügungssucht und Kulturgenuss – alles passiert gleichzeitig. Ein lautes, schnelles, rastloses Leben wie in einem permanenten Rauschzustand. Auch wenn das nur einer Minderheit vorbehalten war, prägt es den Mythos der wilden Zwanziger Jahre in Berlin bis heute.
Der Phantasie der Vergnügungsetablissements sind keine Grenzen gesetzt. Das Haus Vaterland ist eine der beliebtesten Adressen. Es bietet verschiedene Tanzrevuen und zwölf Themenrestaurants an, darunter ein Türkisches Café – wie es im Bild zu sehen ist. 170 Berliner Variété-Theater buhlen allabendlich um die Gunst der Zuschauer.
Amerika ist Vorbild Nummer Eins. Ob Jazz, Charleston oder Mode - die schnelllebige und offen-moderne Lebensart Amerikas begeistert die Berliner. 1927 gibt es eine erste Wahl zur Miss Germany, die im Bild zu sehen ist.
Heute ruft es eher Schmunzeln hervor, 1925 ist es in Berlin ein Tabubruch: Josephine Bakers barbusiger Auftritt mit ihrem legendären Bananenrock macht sie in kürzester Zeit zum gefeierten Star.
Ob Morphium, Opium oder Kokain, ob gespritzt, geschnupft oder geschluckt – die Berliner Vergnügungssüchtigen sind experimentierfreudig. Die Schattenseite: die Zahl der Drogenabhängigen ist hoch und immer häufiger erliegen Berühmtheiten ihrer Sucht – wie beispielsweise die Variété-Tänzerin Anita Berber.
Auf dem Höhepunkt der Inflation im Jahr 1923 ist ein Dollar 4,2 Billionen Mark wert. Wer mit ausländischen Devisen nach Berlin kommt, kann wie ein König leben. Dazu muss man nicht reich sein – auch schwedische Lehrerklubs und tschechische Handwerkerverbände vergnügen sich in Berlin.
Berlin ist auch Transvestiten und Homosexuellen gegenüber offen – es gibt 90 bis 100 Lokale für Homosexuelle und Transvestiten. Die Stadt gilt als die toleranteste Metropole des Kontinents. Doch: Laut Gesetz bleibt Sex unter Männern während der gesamten Weimarer Zeit eine Straftat. Ersatzlos gestrichen wird § 175 des Strafgesetzbuches sogar erst 1994.
Frauen sind wesentlicher Teil der Unterhaltungsszene der Zwanziger Jahre. Einige wenige stehen im Rampenlicht, andere bekommen trotz einer Ausbildung keine Arbeit. Unfreiwillige Prostitution von verarmten Frauen und Kindern gehört zum Berlin der Zwanziger Jahre.
Bereits Mitte der 1920er hat die Vergnügungssucht allmählich ein Ende. Mit der Einführung der neuen Währung im Herbst 1923 wird die Inflation abgedämpft und der „wilden“ Zeit langsam ein Ende bereitet. Die Neue Sachlichkeit löst den rauschhaften Expressionismus ab.