Heute kaum mehr anders vorstellbar, doch damals eine absolute Neuheit: Die Pressefreiheit ist mit Paragraph 118 der Weimarer Reichsverfassung erstmals gesetzlich verankert. Hunderte von Tageszeitungen machen unmittelbar Gebrauch von der Freiheit in Wort und Schrift. Sie alle spiegeln die Meinungsvielfalt wider, die in Deutschland endlich offen und ohne Angst vor Verfolgung bestehen darf.
Die Pressefreiheit ist ein großer Befreiungsschlag für die Presselandschaft der Republik: Allein in Berlin gibt es Anfang der 20er Jahre 47 Tageszeitungen, 50 Wochenzeitschriften und 18 Illustrierte. Manche Zeitungen erscheinen mehrmals täglich.
Eine andere Folge der Pressefreiheit: Im Ausland wird das politische Geschehen der jungen Republik intensiv verfolgt. Für ausländische Pressevertreter wird einmal jährlich ein Gartenfest veranstaltet. Reichskanzler Gustav Stresemann steht hier inmitten ausländischer Journalisten.
Bekannte Autoren schreiben für Wochenzeitungen wie "Die Weltbühne". Tucholsky, der zu seinem eigenen Schutz unter den Pseudonymen Ingnaz Wrobel, Peter Panter, Theobald Tiger oder Kaspar Hauser schreibt, wagt es außerdem, schonungslos und offen Kritik an den alten Offizierskadern des Kaiserreichs zu üben, die nun die junge Republik schützen sollen. Ihn erreichen daraufhin Drohbriefe und anonyme Anrufe. Tucholsky emigriert schon 1929 nach Schweden und stirbt dort 1935 an einer Überdosis Schlaftabletten.
Carl von Ossietzky wird 1931 als Herausgeber der Zeitschrift "Die Weltbühne" im so genannten "Weltbühne"-Prozess wegen Spionage verurteilt, da seine Zeitschrift über das heimliche Aufrüsten der Reichswehr nach dem Krieg berichtet. Der Prozess ist einer der schärfsten Angriffe von Reichswehr und Justiz gegen die kritische Presse in der Weimarer Republik. Als engagierter Pazifist und Demokrat wird Ossietzky 1933 auf Betreiben der Nationalsozialisten erneut verhaftet und interniert. 1938 stirbt er an den Folgen einer Tuberkulose.
Pressefreiheit kann auch sehr unangenehme Folgen haben. Am Tage der Vereidigung Eberts zum Reichspräsidenten am 21. August 1919 druckt die "Berliner Illustrierte" ein privates Bild von Ebert und Reichswehrminister Noske in äußerst unvorteilhafter Situation: in Badehose, fernab jeder staatsmännischen Pose mit freiem Oberkörper und ausgebeulten Badehosen. Ebert und Noske sind der Lächerlichkeit preisgegeben. Der österreichische Schriftsteller Joseph Roth bezeichnet dieses Bild als „das wirkungsvollste, weil pöbelhafteste Argument gegen die Republik“.
Deutschland ist vom Badehosenbild schockiert. Die republikfeindliche „Deutsche Tageszeitung“ fühlt sich durch die öffentliche Empörung ermutigt, das Bild als Postkarte mit der Überschrift „Einst und jetzt“ in einer Auflage von 100.000 Stück zu drucken. In der Mitte ist das Bild von Friedrich Ebert und Gustav Noske in Badehose zu sehen – umrahmt von Wilhelm II. und General Hindenburg in Galauniform. Einst, das waren die Zeiten in Glanz und Gloria, jetzt sind wir die Republik in Badehose, lautet die Botschaft. Ebert legt erfolgreich Klage gegen die Verbreitung der Postkarte ein. Doch der politische Schaden ist irreparabel.
Die nationalistische Wochenzeitung "Reichswart" und das nationalsozialistische Blatt "Der Angriff", das 1927 erstmals erscheint, werden von einem Zeitungsverkäufer feilgeboten. Auch sie sind eine Folge der Pressefreiheit. Die Auflagen der Zeitungen am rechten und linken Rand sind hoch, unter anderem, weil diese regionale Ausgaben haben.