Während der Weimarer Republik ist Wilhelm Marx gleich zweimal Reichskanzler. Zusätzlich kandidiert er 1925 für das Amt des Reichspräsidenten. Marx streitet mit politischer Vernunft und Bescheidenheit für seine Überzeugungen. Eine recht seltene Gabe unter den Politikern seiner Zeit. Zudem vermittelt er zwischen den Parteien und sorgt für Verständigung. Kurzum, er ist der Mann des Dialogs.
Als Politiker der katholischen Zentrumspartei hat er die schwierige Aufgabe, möglichst viele unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen. Schließlich wird die Partei von Menschen ganz unterschiedlicher sozialer Schichten gewählt.
„Das Gemeinwohl stärken“. So könnte Marx‘ Maxime lauten. Für ihn ist sie wichtiger als das politische System, durch das sie umgesetzt wird. Schnell sprechen sich seine ausgleichenden Fähigkeiten herum. Ob er will oder nicht: Wilhelm Marx ist ein gefragter Mann.
Als er sich 1921 aus der Politik zurückziehen will, muss er seine eigenen Bedürfnisse zurückstellen. Als erfolgreicher Vermittler nach einer parteiinternen Krise und Mediator zwischen dem rechten und linken Flügel seiner Partei macht er sich unentbehrlich. Und das, obwohl er anfangs von vielen als Verlegenheitslösung neben dem großen Staatsmann Stresemann wahrgenommen wurde.
Mit seiner „Politik der Mitte“ schafft er es 1923 inmitten der Hyperinflation zum Kanzler einer bürgerlichen Minderheitsregierung, nachdem die Regierungskoalition unter Gustav Stresemann auseinander gebrochen war. Die italienische Zeitung L‘Osservatore Romano liefert eine treffende Beschreibung seiner Person: „[…] die gewinnende, versöhnliche Persönlichkeit, die man braucht, wenn die streitenden Parteien keine Möglichkeit sehen, durch einen Sieg die Entscheidung herbeizuführen […]“