Während seines Studiums, seiner Promotion und seiner Habilitation erbringt Hugo Preuß hervorragende Leistungen. Eine Professur an einer anerkannten deutschen Universität soll jedoch vorerst ein Wunschtraum bleiben. Als überzeugter Demokrat und linksliberaler Jude ist er nicht überall erwünscht. Erst 1907 erhält er eine Professur an einer privaten Hochschule in Berlin. 1918 wird er dann sogar ihr Rektor. Seine politische Karriere im Kaiserreich verläuft allerdings schleppend. Doch an anderer Stelle kann er glänzen: Er veröffentlicht zahlreiche Werke zum Staatsrecht.
Als Autor wird er zum mutig voranpreschenden Visionär. Inmitten der Revolution 1918 benennt er im Berliner Tageblatt unmissverständlich die Situation: „Volksstaat oder verkehrter Obrigkeitsstaat“ – dies gelte es nun zu entscheiden. Für Preuß selbst kommt nur der demokratische Volksstaat in Frage.
Noch ein Jahr zuvor hielt Preuß die Monarchie für reformierbar, jetzt spricht er als überzeugter Demokrat. Der Übergangsregierung wirft er obendrein das Fortsetzen des untergegangenen Obrigkeitssystems vor, dem deutschen Bürgertum „Schlappheit und Servilität“. Sein dringlicher Appell richtet sich an alle: Das gesamte deutsche Volk müsse jetzt handeln. Die Grundlage für einen demokratischen Volksstaat könne nur durch die Wahl einer Nationalversammlung geschaffen werden.
Preuß hat Glück. Sein Mut, Kritik zu äußern, wird nicht bestraft, sondern belohnt. Friedrich Ebert beruft ihn zum Reichsinnenminister. Und nicht nur das: Preuß wird höchstpersönlich mit der Ausarbeitung der neuen Verfassung betraut. Er arbeitet wie besessen an einem ersten Entwurf. Ihm ist bewusst, dass es schnell gehen muss. Wenn der Verfassungsentwurf erst nach dem noch ausstehenden Friedensvertrag vorgelegt würde, wäre die Verfassung für immer belastet. Preuß ist ein schneller Schreiber, nach drei Wochen ist er fertig und liefert einen detaillierten ersten Entwurf einer demokratischen Verfassung für Deutschland.
Von nun an beginnen die Debatten im Weimarer Nationaltheater und in Berlin. Sie dauern länger, als Preuß es sich wünschen würde. Viele seiner Ideen werden übernommen, doch auch Abstriche muss er hinnehmen. Seine Idee des Föderalismus kann sich nicht durchsetzen und der Friedensvertrag, der Deutschlands Reparationspflicht an die Siegermächte festlegt, wird noch vor der Verabschiedung der Verfassung unterzeichnet. Die befürchtete Hypothek auf seine Verfassung kann er somit nicht verhindern.
So sehr die heutige Erinnerung an Hugo Preuß verblichen ist, sein Name wird immer mit Deutschlands erster geltender demokratischer Verfassung in Verbindung stehen.