Vertrauen ist ein kostbares Gut. Deutschland hat seines im Ersten Weltkrieg gnadenlos verspielt und wird international geächtet. Keine leichte Aufgabe für Außenminister Gustav Stresemann – er soll es zurückgewinnen.
Doch Stresemann gelingt eine kleine Sensation: Nur acht Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs schafft er es, mit den europäischen Großmächten in Locarno wieder an einem Tisch zu sitzen.
Die Verhandlungen sind zäh. Ganze elf Tage dauern sie bereits an. Dann hat Stresemann eine zündende Idee: Er lädt die westeuropäischen Außenminister auf eine Bootstour auf dem Lago Maggiore ein und gibt dem Kapitän Order, erst wieder anzulegen, wenn eine Einigung erzielt ist.
Der Plan geht auf, denn offiziell ist diese Bootsfahrt die Geburtstagsfeier der Frau des britischen Außenministers. Die Staatsmänner widmen sich allerdings lieber der Politik.
Stresemann weiß, der erste Schritt muss die Versöhnung mit Frankreich sein. Er gibt den Franzosen ein Versprechen: Das Deutsche Reich wird sich nicht mehr nach Frankreich ausdehnen. So wird es im Vertrag von Locarno festgehalten.
Stresemanns großes Ziel ist, Deutschland aus seiner Isolation und Handlungsunfähigkeit herauszuholen. Künftig soll es so wieder als gleichberechtigter Partner mit anderen europäischen Staaten verhandeln können.
Doch in Locarno herrscht nicht nur eitel Sonnenschein. Stresemann beharrt auf den guten Beziehungen zur Sowjetunion. Das ist den Westeuropäern ein Dorn im Auge. Sie nehmen die Sowjetunion als Gegner wahr. Vor allem Polen leidet darunter: Sein Gebiet bleibt vertraglich vor einem deutschen Angriff ungeschützt.
Der Abschluss des Vertrages wird in Locarno begeistert gefeiert, der Frieden ist vorerst gesichert. Für ihre diplomatischen Leistungen erhalten Stresemann und sein französischer Amtskollege Aristide Briand ein Jahr später den Friedensnobelpreis. Von den rechten Gegnern der Republik wird der Vertrag jedoch einmal mehr als „Erfüllungspolitik“ gegeißelt, die die Ergebnisse des Versailler Vertrages zementiere.